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E-Mails sind (nicht) einfach!

  • Autorenbild: Phil
    Phil
  • 3. Okt. 2020
  • 5 Min. Lesezeit

In einer Zeit, in der die Wissensarbeit - also Arbeit am Schreibtisch und Computer - den Großteil der Arbeitswelt beherrscht, hat der Begriff "Produktivität" eine ganz neue Bedeutung erhalten.

Viele haben diese Bedeutung leider noch nicht verstanden oder akzeptiert. Sie arbeiten immer noch nach dem Produktivitätsprinzip des Handwerks, der Fabrikarbeiter und der Landwirte. Arbeit die auf dem Tisch bzw. im Posteingang liegt, wird schnellstmöglich abgearbeitet.


Für viele gilt: Je mehr E-Mails geschrieben, gelesen und beantwortet werden, desto Produktiver der Tag.

Das ist ein weitverbreiteter Trugschluss, denn die Masse an E-Mails sagt noch längst nichts über deren Qualität aus.


Ich erlebe es in meinem beruflichen Alltag nur zu häufig, dass anstatt einer oder zwei guter E-Mails lieber 10-20 schlechte geschrieben werden.

Cal Newport prägte den damit verbunden Begriff "Shallow Work" in seinem Buch "Konzentriert Arbeiten" wie kein anderer. Dem gegenüber steht die "Deep Work", deren Prinzipien sich auch wunderbar auf den alltäglichen Umgang mit der E-Mail anwenden lassen.


Das Problem mit der E-Mail

In der Wissensarbeit entspricht die Inbox einer To-Do-Liste. Jede E-Mail ist eine Aufgabe und Aufgaben wollen abgearbeitet werden. Eine lange Liste gibt einem ein schlechtes Gefühl und je weniger Aufgaben in dieser Liste zu finden sind, desto besser fühlen wir uns.

Doch der Fluss an E-Mails lässt nie nach.

Ein Tag, an dem wir viele E-Mails abgearbeitet haben suggeriert uns, dass wir heute viel geschafft haben. Doch in Wirklichkeit haben wir nichts geschafft. Es war bloße Zeitverschwendung, denn Wissensarbeit bedeutet in der Regel, sein Wissen auf eine Problemstellung anzuwenden und diese zu Lösen. Dafür ist es manchmal notwendig, zu Denken, nicht aber zu tippen. Manchmal müssen wir auch Tippen, aber dabei konzentrieren wir uns auf eine einzige Problemstellung und nicht auf immer neu eingehende E-Mails.


Der Mythos vom Multitasking

Immer noch gilt es als eine besondere Eigenschaft, mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen zu können. Wir erstellen eine Präsentation, nehmen gleichzeitig aber Anrufe entgegen. Wichtige E-Mails werden schnell beantwortet, dann widmen wir uns wieder der Präsentation. Es klingelt erneut das Telefon: "Wir müssen schnell noch dies und jenes machen". Natürlich machen wir "dies und jenes", beantworten dann noch schnell eine eingegangene E-Mail und widmen uns dann wieder der Präsentation, die dringend fertiggestellt werden muss.


Jeder dieser Fokuswechsel kostet uns etwa 10 Minuten des Tages, denn das ist die Zeit, die unser Geist benötigt, sich wieder mit vollem Fokus dem anzugehenden Problem zu widmen.

Aus diesen 10 Minuten werden in einem normalen Arbeitsalltag schnell 2 Stunden. Vergeudete Zeit!


Lösungen für den effizienten Umgang mit E-Mails

Jobs sind unterschiedlich, daher gibt es keine Patentlösung. Aber es gibt Lösungen, die uns helfen, unsere Zeit effizienter zu nutzen.


1) Nimm dir mehr Zeit für das Verfassen von E-Mails

Newport schlägt vor, sich zu beginn einer E-Mail folgende Frage zu stellen: "Was ist das in dieser Nachricht angesprochene Projekt und welches ist der effizienteste Ablauf (im Hinblick auf verschickte E-Mails), um dieses Projekt zum erfolgreichen zum Abschluss zu bringen?"

Newport bezeichnet das vorgehen als prozessorientierten Ansatz der das Ziel verfolgt, das Projekt mit so wenig E-Mails wie notwendig zu vollenden. Dafür schlägt er folgendes Vorgehen vor:

  1. Projekt identifizieren und verstehen

  2. Zeit nehmen und den effizientesten Prozess überlegen

  3. Antwort schreiben

Das kosten natürlich Zeit. Aber letztendlich wird dich dieses Vorgehen weniger Zeit kosten, als der stetige E-Mailverkehr, der entsteht, wenn deine Nachricht nicht alles berücksichtigt.



Was Kostet eine E-Mail?

Ray Tomlinson gilt als Erfinder der E-Mail. Wir wissen nicht, ob er sich jemals geärgert hat, dass er daran nichts verdiente, aber letztendlich kam es so und die E-Mail wurde kostenlos. 
Doch diese Tatsache führt häufig zu einer Fehlannahme, nämlich das uns E-Mails nichts kosten. 
Tom Cochran, ehemaliger CEO von Atlantic Media führte dazu im Jahre 2012 eine interessante Studie durch, über die er in der Harvard Business Review berichtete. Er stellte fest, dass er wöchentlich über 500 E-Mails erhielt und selbst fast 300 verfasste. Er fing an, alle erdenklichen Daten zu sammeln und stellte den Aufwand des Schreibens bzw. Lesens mit der E-Mailanzahl und dem Gehalt seiner Mitarbeiter ins Verhältnis. Das Ergebnis war erschreckend. Etwa 1 Mio. Dollar pro Jahr zahlte Atlantic Media für das verfassen und lesen von E-Mails. 
Jede E-Mail kostete nach seiner Rechnung ca. 95 Cent pro beteiligter Person. So kostet eine Nachricht mit einem Empfänger und drei Personen in Kopie fast 5 Dollar.
So viel zum Thema "kostenlos".

2) Formuliere den Inhalt so einfach wie möglich

Das Wesen einer guten E-Mail ist Abstraktion. Es gilt, die Botschaft so stark wie möglich zu vereinfachen, ohne die Essenz zu verlieren. Konzentriere dich auf das Wesentliche und eliminiere alle überflüssigen Fakten.

Die Übermittlung einer Idee erfordert eine ganz bestimmte Informationsmenge - nicht mehr und nicht weniger.


Abstraktion

Christoph Niemann - angesehener Illustrator, Grafiker und Autor - nimmt als Beispiel für perfekte Abstraktion das Herz, als Symbol der Liebe.
Ein rotes Quadrat, oder Kreis wäre die höchst mögliche Abstraktion. Aber dann versteht niemand, worum es geht. Das andere Extrem wäre ein anatomisch korrektes Organ aus Fleisch und Blut. Es wäre so widerlich und niemand würde an Liebe denken. Irgendwo dazwischen liegt die uns so bekannte Herzform, die beide Versionen in sich vereint und die Idee perfekt rüberbringt.

Darüber hinaus sollte man auch die Formulierung möglichst einfach und verständlich halten. Hochtrabende Formulierungen, die Nutzung von nicht zwingend notwendigen Fachbegriffen und Anglizismen sind einfacher und auch glaubwürdiger. Es ist ein Irrtum, dass eine ausgeprägte fachliche Ausdrucksweise zu einem kompetenten Erscheinungsbild führt. Daniel Kahneman zeigt in seinem Buch "Schnelles Denken, langsames Denken" eindrucksvoll auf, dass es eher zum Gegenteil beiträgt. Die Menschen halten dich für einen Idioten.


3) Strukturiere und formatiere, wenn notwendig und sinnvoll

E-Mails, insbesondere gute (!) E-Mails bestehen in der Regel aus mehr als ein bis zwei Sätzen. Doch viel Text führt auch schnell zur Ermüdung des Lesers. Es gilt daher der Grundsatz, die kognitive Beanspruchung des Lesers zu verringern.

Die Mittelung sollte so lesbar wie möglich gemacht werden. Nutze dafür die umfangreichen Formatierungsmöglichkeiten HTML-basierter E-Mails.


Du kannst wichtige Sätze fett hervorheben, Zitate in kursiv schreiben oder wichtige Deadlines farblich hervorheben.

Die Nutzung von...

  • Bullet Points,

  • Nummerierungen

  • oder Tabellen

...kann ebenfalls sinnvoll sein.


Hier widersprechen sich übrigens Autoren wie Kahnman und Newport. Letzterer ist gar kein Freund von Formatierung und ist der Meinung, für eine gute E-Mail sollte so etwas nicht notwendig sein. Letztendlich muss das jeder für sich, bzw. von Fall zu Fall entscheiden.


4) Antworte einfach nicht

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich erhalte jeden Tag mindestens 20 E-Mails, auf die ich am liebsten einfach nicht antworten würde. Und genau das rät uns Newport in seinem Buch "Konzentriert Arbeiten". Solltest du E-Mails erhalten, die folgende Voraussetzungen erfüllen: Antworte einfach nicht.

  • Die E-Mail ist nicht klar formuliert und lässt zu viele Unklarheiten (je nach Absender sollte man vielleicht doch Antworten, aber diese Klarheit einfordern).

  • Die Inhalte sind für dich nicht von Interesse.

  • Es passiert nichts gutes, wenn du auf die Email antwortest, aber auch nichts schlechtes, wenn du es nicht tust.

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