Wer in Wirklichkeit deine Wettbewerber sind
- Phil
- 30. Mai 2020
- 3 Min. Lesezeit
Byron Sharp führt in seinem Buch "How Brands Grow: What Marketers Don't Know" verschiedene Gründe auf, wieso das Massenmarketing längst nicht tot ist und wieso das allzu beliebte Targeting überbewertet wird.
Einer dieser Gründe ist, dass Marketer häufig annehmen, dass ihr Produkt in dem von ihnen definierten Kundensegment gekauft wird, sowie die darauf aufbauende Annahme, wer die Wettbewerber sind.
Aber fangen wir erstmal von vorne an: Das Marketing hat in den vergangenen Jahrzehnten drei Phasen durchgemacht:
Massenmarketing, in dem ein Produkt an alle potenziellen Käufer kommuniziert wurde ("Schrotflinten"-Ansatz).
Produktvielfalt-Marketing, in dem verschiedene Produkte an die Masse kommuniziert wurde, um für jeden potenziellen Käufer das richtige Produkt zu bieten.
Zielmarketing, in dem spezielle Käufersegmente identifiziert und gezielt angesprochen wurden (engl. Targeting).
Letzteres wird heute häufig als der "Heilige Grahl" des Marketings bezeichnet, doch bringt diese Vorgehensweise eine Reihe von Problemen mit sich.
Um seinen Zielmarkt zu finden, werden vorweg Segmente gebildet. Die Annahme des Tagreting-Ansatzes ist, dass dieses identifizierte Kundensegment ein überdurchschnittlich hohes Kaufinteresse an dem eigenen Produkt hat. Doch dafür gibt es selten empirische Beweise.
Es gibt hingegen ausreichend Daten die aufzeigen, dass einzelne Marken an deutlich unterschiedliche Käufersegmente verkaufen, als sie annehmen. Kurz: Marken teilen sich die Kunden.
Fakt ist, Marken wie bspw. Coca-Cola teilen sich ihre Kunden mit engen und gleichermaßen entfernteren Wettbewerbern. Käufer von Classic Coke kaufen auch Pepsi. Und beide kaufen darüber hinaus auch Diät Cola, Fanta und Lift Apfelschorle.
Das Außergewöhnliche dieser Feststellung ist nicht, das Pepsi-Kunden auch Coca-Cola kaufen, sondern, dass jede Marke einen nahezu identischen Anteil ihres Kundenstamms mit Coca-Cola teilt (Byron Sharp).
Wie kann ich also behaupten, Classic Coke spricht ein anderes Kundensegment an, als Pepsi und Fanta?
Wie identifiziere ich meine tatsächlichen Wettbewerber?
Eine "Duplikationsanalysen" kann uns zeigen, in wieweit sich Marken innerhalb einer Kategorie ihre Kunden teilen.
Die 100% -Zellen sind der Grad der Kundenüberschneidung einer Marke mit sich selbst, der logischerweise immer 100% betragen muss.
Die Messung muss in einem festen Zeitraum erfolgen. Dieser Zeitraum sollte weder zu kurz, noch zu lang angesetzt werden. Wird der Zeitraum bspw. zu lang gewählt ist es nur logisch, dass ein Kunde irgendwann auch einmal eine der anderen Marken gekauft hat. Wählt man einen zu kurzen Zeitraum, lassen sich aus den Daten keine validen Schlüsse ziehen.
Es ist nützlich, die Duplizierung der Kaufanalyse mit einer sehr breiten Marktdefinition zu beginnen. Wenn dann Partitionen auftreten, können separate Duplikationsanalysen durchgeführt werden, z.B. eine separate Premium-Eiskategorie und eine alltägliche Eiskategorie. So nähern wir uns Schritt für Schritt unseren wahren Wettbewerbern.
Solche Messung kommen in der Regel immer zum selben Ergebnis: Kunden einer Marke kaufen immer auch andere Marken. Darüber hinaus kaufen Kunden einer Nischenmarke (spitzes Targeting) sehr viel mehr der größten Marke innerhalb einer Kategorie.
Duplication of Purchase Law
Alle Marken einer Kategorie teilen ihre Kunden-Basis mit anderen Marken der Kategorie entsprechend deren Marktanteil.
Heißt: der wichtigste Wettbewerber von Fritz Cola ist nicht Afri Cola, sondern Coca-Cola und die Marke mit der CREW Republic Beer am stärksten konkurriert ist nicht die Rathsherrn Brauerei sondern sind Bitburger, Krombacher und Co.
Die folgende Tabelle zeigt verschiedene Marken von Eiscreme auf, und zwar in absteigender Reihenfolge nach Marktanteilen.
Demnach teilt sich die größte Marke "Carte D'Or" mit allen weiteren Marken die meisten Kunden.

Was hier besonders auffällt. Die untersuchten Marken unterscheiden sich stark in ihrer Qualitätspositionierung und ihren Verpackungsgrößen. Und dennoch ist es bemerkenswert, dass es trotz dieser funktionalen Unterschiede keinen partitionierten Markt gibt, wie es eigentlich zu erwarten wäre.
Die einzige offensichtliche Unterteilung besteht darin, dass die Premium-Marken Ben & Jerry's und Häagen Dazs fast doppelt so viele Kunden miteinander teilen wie andere Marken. Es ist jedoch bemerkenswert, dass die Kunden von Ben & Jerry immer noch eher Carte D'Or kaufen als Häagen Dazs.
Marketer unterschätzen häufig, mit wie vielen und mit welchen anderen Marken die eigene Marke im Wettbewerb steht. Es wird meist angenommen, dass sich Marken durch ihr Differenzierungsmerkmale (Preis, Verpackungsgröße und Qualität etc.) an sehr unterschiedliche Personengruppen richten, oder für sehr unterschiedliche Kaufsituationen geschaffen sind.
Diese Annahmen sind oft unrealistisch oder übertrieben.
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