top of page

Der Mythos "Kundenbindung" und warum Pareto falsch liegt

  • Autorenbild: Phil
    Phil
  • 26. Sept. 2020
  • 3 Min. Lesezeit

Bryon Sharp wurde hier schon sehr häufig erwähnt. Er schuf mit seinem Buch "How Brands Grow: What Marketers Don't Know" einen Marketingleitfaden auf Basis empirisch erwiesener Tatsachen und wies somit eine Masse an Marketing-Mythen und entsprechenden Büchern in die Schranken.


Seine Erkenntnisse passen häufig nicht zu dem bisher gelehrten Wissen, wie Märkte funktionieren. Marketer sollten daher akzeptieren, dass viele der im Studium gelernten Marketingtheorien nicht der Wahrheit entsprechen.

Wie die Fußballer sagen würden: "Die Wahrheit liegt auf dem Platz!"


Neben den 7 unumstößliche Marketing-Regeln, die uns Sharp in seinem Buch vorstellt, erläutert er uns auch einige Gesetzmäßigkeiten, die er und sein Team in ihren Untersuchungen herausgefunden haben. Zwei dieser Gesetze möchte ich hier vorstellen.


Gesetz der doppelten Gefährdung (Double Jeopardy Law)

Im Marketing gibt es viele Sätze, die man immer und überall hört. Nicht alle entsprechen den Tatsachen. Einer davon ist "Kundenbindung ist günstiger, als Neukundengewinnung".

Jetzt kommt das große ABER und das wird viele Marketer enttäuschen:


"Marken mit weniger Marktanteilen haben weit weniger Käufer, und diese Käufer sind etwas weniger loyal." (Byron Sharp).

Dieses Gesetz greift insbesondere dann, wenn Marken weitestgehend austauschbar sind, was insbesondere im Bereich FMCG meist der Fall ist.

Ausgenommen oder zumindest weniger betroffen davon sind Nischenmärkte und Eigenmarken bzw. Handelsmarken.


Was bedeutet das für das Marketing?

Es bedeutet, dass das Wachstum des Marktanteils wesentlich von der Vergrößerung des Kundenstamms einer Marke abhängt und nicht von der Markentreue der Bestandskunden. Die Loyalität nimmt mit dem Marktanteil zu. Darüber hinaus unterliegt Loyalität natürlichen Schwankungen, die durch Marketingmaßnahmen nicht zu beeinflussen sind.


Alle Marken eines Marktes verlieren mit der Zeit Käufer. Dieser Verlust ist proportional zu ihrem Marktanteil (d. h. große Marken verlieren mehr Kunden, obwohl diese einen geringeren Anteil ihres gesamten Kundenstamms ausmachen).


Das heißt: Kundenbindung ist deutlich weniger wichtig, als es oftmals angenommen wird.


Als Beispiel führt Sharp hierzu eine Studie zum amerikanischen Automarkt zwischen 1986 und 1989 an. Zu dieser Zeit lag der Umsatzanteil von Neu- und Bestandskunden etwa bei 50:50.

Toyota hatte zu diesem Zeitpunkt 2 % Marktanteil. Hätte Toyota in diesen drei Jahren die Absprungrate der Bestandskunden um 50 % reduziert, hätten sie 50 % mehr Umsatz erzielt, was ca. 1 Prozentpunkt des Marktanteils entspricht. Das ist das Maximum, was durch Kundenbindung erreich werden konnte.

Der Markt zeigt aber auch, dass 50 % aller Kunden jedes Jahr die Automarke wechseln, was mit der Tatsache einhergeht, dass jedes Jahr 50 % des gesamten Marktes neu verteilt werden. Demnach bietet die Neukundenakquisition ein vielfaches mehr an Umsatzpotenzial, als Kundenbindung.

In anderen Märkten ist die Absprungrate übrigens um eine vielfaches geringer und somit auch das Umsatzpotenzial von Kundenbindung.


Kundenbindung ist vielleicht günstiger als die Neukundengewinnung. Aber sie ist deutlich weniger Effizient.


Das wahre Pareto-Gesetzt

Fast jeder kennt das Paretoprinzip, benannt nach Vilfredo Pareto. Es besagt, dass 80 % der Ergebnisse mit 20 % des Gesamtaufwandes erreicht werden. So machen bspw. 20 % der Kunden, 80 % des Umsatzes.


Aufgrund dieses "Wissens" konzentrieren sich viele Marken auf ihre A-Kunden, also die so wichtigen 20 %. Doch das Paretoprinzip greift nicht überall gleich und das wird häufig außeracht gelassen.

Es ist eine irreführende Vereinfachung, deren Anwendung schnell viel Umsatz kosten kann. Selten liegt das Verhältnis bei diesen Extremen. Sharps Untersuchungen zeigen über eine Vielzahl von Marken hinweg deutliche Schwankungen in der Käuferschaft, aber nie ein Extrem von 20:80. Die Extreme lagen eher bei 40:60, aber auch das nur selten.


Der Realität viel näher kommt das Gesetz von Professor Gerald Goodhardt, welches besagt, dass 20 % der Käufer, etwa 50 % des Umsatzes, 30 % der Käufer etwa 30 % des Umsatzes und 50 % wiederum 20 % des Umsatzes ausmachen.



20:30:50-Gesetz

20 % der Kunden machen 50 % Umsatz
30 % der Kunden machen 30 % Umsatz
50 % der Kunden machen 20 % Umsatz

Das Paretoprinzip greif im Marketing nicht. Es ist verlockend, sich auf die 20 % der wichtigsten Kunden zu fokussieren, wenn diese einen so enormen Umsatzanteil ausmachen. Die Realität sieht aber anders aus.

Hinzu kommt, dass naturgegeben im Laufe der Zeit die schwersten Käufer weniger kaufen, die leichtesten Käufer mehr kaufen und Nichtnutzer anfangen zu kaufen. Es handelt sich um eine reale Marketing-Regression zum Mittelwert, die zeigt, wie sich Kaufextreme an beiden Enden im Laufe der Zeit dem Durchschnitt nähern.

Comments


©2020 WirBittenUmVerstand. Erstellt mit Wix.com

bottom of page