Was hat Zufriedenheit mit Produktivität zu tun?
- Phil
- 16. Juli 2020
- 3 Min. Lesezeit
Ok, zugegeben. Gleich eine provokative Frage zum Einstieg, aber aus der Sicht einiger, meist eher konservativer Führungskräfte ist diese Frage absolut angebracht.
In vielen Köpfen ist Produktivität immer noch eine Frage von Effizienz:
Mehr für Weniger.
Mehr in geringerer Zeit.
Aus ökonomischer Sicht eine einfache Rechnung.
Der Ursprung des Produktivitätsbegriff wird insbesondere zwei Persönlichkeiten aus dem späten 18. sowie frühen 19. Jahrhundert zugesprochen:
Frederick Winslow Taylor und Henry Ford.
Die nach ihnen benannten Prinzipien der Prozesssteuerung von Arbeitsabläufen (Taylorismus und Fordismus) werden heute oft als Basis für den wirtschaftlichen Aufschwung dieser Zeit bezeichnet.
Taylorismus
Der nach Frederick Winslow Taylor benannte Taylorismus
beschreibt das Prinzip einer Prozesssteuerung von Arbeitsabläufen, die von einem auf Arbeitsstudien gestützten und arbeitsvorbereitenden Management detailliert vorgeschrieben werden.
Fordismus
Als Fordismus bezeichnet man die stark standardisierte Massenproduktion und -konsumtion von Konsumgütern mit Hilfe hoch spezialisierter, monofunktionaler Maschinen und Fließbandfertigung.
[Wikipedia]
Ein wesentlicher Bestandteil beider Prinzipien - welche meist in Kombination miteinander eingesetzt wurden - war die Betrachtung des Menschen als Ressource. Und wie es in den Wirtschaftswissenschaften üblich ist, gilt es Ressourcen möglichst effizient einzusetzen.
Hier besteht auch der größte Kritikpunkt des Taylorismus und des Fordismus. Daher werden beide Begriffe seit Ende der 90er meist nur noch in kritischem Zusammenhang verwendet.
Meines Erachtens ist diese Kritik sehr überheblich. Frei nach dem Credo "am Ende ist man immer Schlauer" haben Taylor und Ford viel zu unserem Fortschritt beigetragen. Auf diesem Fortschritt beruhen nun neue Erkenntnisse, um die es im weiteren Text gehen soll.
Kritik hin oder her - der konservative Gedanke von Arbeit ist, dass ein Mensch einen Teil seiner zur Verfügung stehenden Lebenszeit gegen Geld eintauscht.
Nun haben wir aber nicht mehr 1890 sondern leben im 21. Jahrhundert.
Menschen können die Welt bereisen, auto fahren, fliegen, essen, warm duschen und und und....
Wir leben in einer Zeit, in der wir immer mehr für immer weniger bekommen (ja, auch während, sowie nach Corona geht es uns immer noch sehr gut).
Eine Folge dieses Wohlstands ist es, dass wir vermehrt einen Sinn in unserem Tun suchen. Und dazu gehört auch die Arbeit. Insbesondere die jüngeren Generationen möchten nicht mehr Geld gegen Zeit tauschen, sondern Spaß an der Arbeit und im Leben haben.
Aber was hat das nun alles mit Produktivität zu tun?
Ganz einfach! Ein Großteil der heutigen Arbeitswelt besteht nicht mehr aus Fließband, sondern aus Wissensarbeit.
Wir können nicht mehr die Produktivität danach bemessen, wie viel Zeit und Arbeiter es bedarf, X Einheiten zu fertigen.
Ok, einige glauben das leider immer noch und messen ihre Produktivität anhand der Meetings, Telefonate und E-Mails, die sie pro Tag führen bzw. schreiben. Ein Trugschluss, denn nach Cal Newport ist "Shallow Work" das absolute Gegenteil von produktiv.
Mehr dazu im Buch "Konzentriert arbeiten" von Cal Newport (UNBEDINGT LESEN!!!)
Wie messen wir also Produktivität in dieser "New World" (Achtung: angedeutetes Wortspiel mit "New Work";)
Hier hilft uns ein alter Bekannter: John Strelecky beschreibt in seinem Buch "The Big Five for Life" eine simple Methode, wie wir über alle Branchen hinweg die Produktivität unserer Mitarbeiter messen können.
So gehen wir vor:
Wir lassen von unseren Mitarbeitern folgende fünf Fragen auf einer Skala von 1 bis 10 Bewerten. 1 steht dabei für "trifft überhaupt nicht zu" und 10 für "trifft voll und ganz zu".
Du bist begeistert, wenn du Montagmorgens an deinen Arbeitsplatz kommst.
Du erledigst alle Aufgaben ohne, dass es dabei großer Kontrolle bedarf. Du lässt dich dabei nicht im größeren Maße von Dingen ablenken, die nichts mit der Aufgabe zu tun haben.
Du kennst die Ziele des Unternehmens sowie die deiner Abteilung.
Du verstehst, auf welche Weise deine Tätigkeit dazu beiträgt, diese Ziele zu erfüllen.
Deine persönlichen Ziele und Werte stehen mit deiner Tätigkeit, für die du bezahlt wirst im Einklang.
Die Summe aller Werte multipliziert mit 2 ergibt nun die Produktivität in Prozent.
10 wäre somit der niedrigstmögliche Wert und entspricht dann in etwa einer inneren Kündigung. 100 ist der bestmögliche Wert und entspricht der absoluten Produktivität.
Wer jetzt immer noch nicht versteht, wieso wir hier Aspekte der Zufriedenheit messen und nicht der Produktivität, der fängt bitte nochmal ganz von vorne an und liest den Beitrag so lange, bis er es verstanden hat.
Übrigens dient diese Quantifizierung auch gut zur Selbsteinschätzung. Wendet Streleckys Prinzip doch einfach mal auf euch selbst an und findet heraus wie produktiv (=zufrieden) ihr mit eurer Tätigkeit seit.
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